Sichelschmiede

Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide



Pressespiegel

Artikel in neuland, attac-Beilage zum ND, 11/2007

Meine Aufgabe ist es, etwas gegen den Krieg zu tun

Aktive Gewaltfreiheit bedeutet mehr als nur Gewaltverzicht

Wir wollten in unserer Augustausgabe über die Sommeraktionen der Sichelschmiede in Rossow berichten. Die Friedenswerkstadt befindet sich in Nähe des Bombodroms in der Kyritz/Wittstocker Heide. Seit Jahren kämpfen Bürgerinitiativen in der Gegend um Neuruppin gegen den Ausbau des landschaftlich reizvollen Fleckens als Übungsgelände für Bombenflugzeuge. Ulrike Laubenthal arbeitete uns umgehend einen Artikel zu. Sie legte dabei viel Wert darauf, die Sichelschmiede, welche sie mit aufgebaut hat, als nur eine Aktionsgruppe unter vielen anderen darzustellen.

Durch den telefonischen Kontakt war mein Interesse an Ulrikes Persönlichkeit und Projekt geweckt. Schön, dass sich schon sehr bald eine Möglichkeit zu einem Zusammentreffen ergab. Nämlich beim Graswurzelfest in unserer Villa. Ulrike fühlt sich von der Idee der Gewaltfreiheit angezogen. Seit über 20 Jahren ist sie Abonnentin der graswurzelrevolution, außerdem wirkt sie auch als Autorin. Die Zeitung ist für sie ein wichtiges politisches Zuhause.

Nun sitzen wir zusammen im sonnendurchfluteten Wintergarten. Zwischen Frühstück und Ulrikes Seminar haben wir eine Stunde Zeit für unser Gespräch. Die blonde Frau mit dem eigenwilligen legeren Bekleidungsstil sitzt mir gegenüber. Ulrike lebt und arbeitet für den Frieden, das erschließt sich meinem Gefühl schon nach ihren ersten Worten. 1966 geboren, sieht sie zwei wesentliche Einflüsse für ihre Entwicklung. Da sind vor allem die Eltern, die als Jugendliche Faschismus und den zweiten Weltkrieg miterlebt haben. Vor allem die Erzählungen der Mutter sind es, die Ulrike recht früh erfahren lassen, dass Krieg etwas ganz Schreckliches ist. Dass er von Menschen vorbereitet wird, aber auch von Menschen verhindert werden kann. Ihre Mutter hat auf einem Gut in Pommern russische Kriegsgefangene erlebt und die Bombennächte im Ruhrgebiet durchlitten. Ihr Vater wurde als 18jähriger noch zum Volkssturm eingezogen und geriet in französische Kriegsgefangenschaft. Ulrike wuchs geschützt und behütet in einem kleinen Ort im waldreichen Osthessen auf. Dennoch wusste sie schon früh: Meine Aufgabe wird es später sein, etwas gegen den Krieg zu tun. Der zweite prägende Einfluss ging von der 68er Bewegung aus. Natürlich war Ulrike damals noch viel zu klein. Aber sie hatte zwei ältere Brüder und die waren ziemlich inspiriert von den Ideen dieser Zeit. Sie sangen Lieder von Freiheit und dem Kampf gegen das Unrecht.

Wer die Augen und Ohren verschloss, konnte Osthessen durchaus als malerisch genießen. Ulrike erkannte jedoch bald, dass sie in einer stark militarisierten Gegend lebte. Die größte amerikanische Panzerdivision auf europäischem Boden war hier stationiert. Es gab Manöver und Tiefflüge. Anfang der 80er sollten die NATO-Depots für die atomare Nachrüstung eingerichtet werden. Eine Friedensinitiative wurde gegründet und Ulrike schloss sich dieser als Schülerin an, sie besuchte regelmäßig die Sitzungen und brachte ihre Ideen ein. Ihr Engagement brachte ihr frühe Erfahrungen mit gewaltfreier direkter Aktion. Sehr gute Erfahrungen, wie sie betont. Ulrike fiel es schwer zu planen, was nach der Schule kommen sollte. Da waren zum einen die Erwartungen anderer an sie - das hieß ein Studium aufnehmen. Zum anderen aber gab es Ulrikes große Sorgen hinsichtlich der Nutzung von Atomenergie und Nachrüstung. Sie war hin und her gerissen und es fiel ihr schwer, eine Perspektive für sich zu entwickeln. Sie entschied sich zunächst für ein pädagogisches Praktikum. 1986 brachte ihr dann die Erkenntnis, dass wir auf Messers Schneide leben. Der US Angriff auf Libyen und der GAU in Tschernobyl veranlassen sie zu dem Gedanken: Ich muss was tun. Also nahm sie sich ein Jahr Zeit, um an dem zu arbeiten, was ihr wirklich unter den Nägeln brannte.

Sie schloss sich der Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung an, die in Mutlangen gegen die Stationierung von 36 Pershing II - Raketen kämpfte. Menschen aus ganz Bundesdeutschland verfolgten hier zwischen 1983 und '87 ihr "Nadelstichkonzept". Immer wieder fanden Blockaden statt, groß angekündigte und spontane kleinere. Es wurde zu gewaltfreien Trainings eingeladen. Ulrike gehörte zu denjenigen, die der Bundesregierung mit Namen und Anschrift miteilten, dass sie zivilen Ungehorsam betreiben wollten. Sie war dauerpräsent in Mutlangen, organisierte den Blockadeherbst 1986 mit und leitete Trainings an. Vor Ort gründete sich eine Gemeinschaft von sieben Leuten, welche Aktionstrainings anbot, Strafprozesse von BlockiererInnen begleitete und die BlockiererInnen regelmäßig durch Rundbriefe informierte. Das Zusammenleben und -arbeiten in einer kleinen Gruppe betrachtet Ulrike seitdem als ihre favorisierte Lebensform. Die einzelne hat es immer schwer, in Großgruppen wird die Aufgabenverteilung häufig unüberschaubar. Eine handvoll Leute jedoch können konkrete Zielstellungen leicht erfüllen. Wird das Leben dann noch so organisiert, dass körperliche und geistige Arbeit für alle gleichermaßen im Tagesablauf integriert und wertgeschätzt sind, dann wäre das ein Ideal.

Die Mutlanger Gruppe sah sich allerdings nicht als Versuch, die perfekte Lebensgemeinschaft zu gründen. Konsens war, alles so zu organisieren, dass wir Kraft für unsere Aufgabe hatten, sagt Ulrike. In Folge der Abrüstungsgespräche zwischen Gorbatschow und Reagan, zu denen mit Sicherheit auch das Engagement der Friedensbewegung geführt hat, wurden 1987 die Raketen abgezogen. Die politische Notwendigkeit für Blockaden war nicht mehr gegeben. Die Zweckgemeinschaft zerfiel, Ulrike verließ Mutlangen. Was folgte waren ihre "Lehr- und Wanderjahre". Die begannen zunächst mit einem zweimonatigen Gefängnisaufenthalt. Ihre Teilnahme an einer Sitzblockade war vor Gericht als gewaltsame Nötigung und verwerfliches Mittel betrachtet worden. Ulrike sagt, dass sie gelernt hat, auch mit dem Repressionsinstrument Knast umzugehen. Auch dort konnte sie ihre Freiheit leben. Das Sozialverhalten unter den gefangenen Frauen hat sie als sehr reif erfahren. Sie meint, dass Gefängnis sei der Spiegel einer Gesellschaft. Letztendlich sind die meisten Einsitzenden Menschen, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen, einfach Pech haben und keinen guten Anwalt bezahlen können.

Ulrike begab sich auf den Friedenspilgerweg, nahm während der ersten Irakkrise in den 90er Jahren an der Friedenspräsenz in Bagdad teil und koordinierte anschließend die Arbeit eines Hilfsprojektes zur Linderung der Kriegsfolgen im Irak. Anschließendarbeitete sie für die internationalen Friedensbrigaden. Ihr Einsatz als Trainerin für aktive Gewaltfreiheit ist eine Sache, die ihr wirklich Spaß macht, bis heute. Aktive Gewaltfreiheit bedeutet mehr als nur Gewaltverzicht, sie beinhaltet ein aktives Eintreten für Gerechtigkeit. Dazu gehört auch selbst bestimmtes Lernen durch Übungen, z.B. zu Kommunikationstechniken. Das ist sehr interessant, weil die Ansätze und Methoden so verschieden sind. Seit 2000 arbeitet Ulrike bundesweit als selbständige Trainerin für gewaltfreies Handeln. Besonders häufig wird sie vom Oekumenischen Dienst Schalomdiakonat angefragt. Ulrike sagt von sich, dass sie immer mit wenig Geld gelebt hat und nie an einen Ort gebunden war.

Der landschaftliche Reiz der Gegend um Neuruppin, die tiefen Wälder, welche sie an die Heimat erinnern, mögen ein Grund dafür gewesen sein, sich in Rossow anzusiedeln und auch dort bleiben zu wollen, wenn es eines Tages das Bombodrom nicht mehr gibt. Aus dem misslungenen Versuch der Friedensbewegung, den Irakkrieg zu verhindern, hat Ulrike die Konsequenz gezogen: Den nächsten Krieg müssen wir verhindern, bevor er anfängt. So fand sie zur Bewegung für eine FREIe HEIDe, die gegen die Pläne der Bundeswehr streitet, auf dem ehemaligen sowjetischen Bombodrom wieder einen Übungsplatz für das Bombenwerfen einzurichten. einen geplanten Übungsplatz für den Bombenabwurf einzurichten. Im Sommer 2006 wurde die Sichelschmiede als Friedenswerkstatt ins Leben gerufen. Das Anliegen des Projekts: Dazu beitragen, dass die FREIe HEIDe zu einem der Kristallisationspunkte des Widerstands gegen den Krieg und der internationalen Friedensbewegung wird. Wenn hunderte von Menschen zu den Aktionstagen anreisen und gemeinsam phantasievolle Besetzungsaktionen planen und durchführen, so stößt das nicht nur auf positive Resonanz bei den Einheimischen. Die Reaktion vor Ort reicht von Skepsis: Was wollen die Krawallmacher hier? - bis hin zu großer Zustimmung: Genau das brauchen wir. Für Ulrike und ihre engsten MitstreiterInnen steht das Bemühen im Vordergrund, die bundesweite Bewegung mit der Bewegung vor Ort zusammenzuführen. So erklärt sich auch ihre Zurückhaltung, wenn es um die Darstellung der Aktivitäten der Sichelschmiede geht. Ulrike sieht die Sichelschmiede als einen Teil der Bürgerbewegung in der Region, welcher allerdings wichtige Impulse von außen geben kann. Sie möchte in Zukunft gut durchdachte, vorbereitete Sachen machen. Diese bieten die große Chance zur Veränderung, da sie Wirkung erzielen.

Ihr Traum ist, dass sich eine kleine Gemeinschaft findet, die gemeinsam in Rossow lebt, arbeitet und sich zum großen Teil selbst versorgt. Eine Gemeinschaft, die mir anderen ähnlichen Zusammenschlüssen in der Gegend vernetzt ist.

Solvejg Feldmeier