Sichelschmiede

Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide



Pressespiegel

Artikel in neuland, attac-Beilage zum ND, 11/2007

Kein Bombodrom. Nirgends.

Groß war der Jubel und dick die Schlagzeilen in den örtlichen Tageszeitungen, als am 31. Juli das Verwaltungsgericht Potsdam verkündete: Die Bundeswehr darf das Bombodrom nicht nutzen. Seitdem reagieren selbst in der betroffenen Region viele Menschen auf Fragen zum Bombodrom mit den Worten "Das hat sich ja jetzt erledigt". Was weniger öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hat als das Urteil selbst ist die Tatsache, dass das Bundesverteidigungsministerium mittlerweile Berufung eingelegt hat. Die Sache geht weiter vor das Oberverwaltungsgericht und danach vermutlich auch noch bis zum Bundesverwaltungsgericht. Als sich kurz nach der Urteilsverkündungen Pressemeldungen häuften, führende Politiker hätten von einem Verzicht auf das Bombodrom gesprochen, blieben die Aktiven der Bürgerinitiative FREIe HEIDe skeptisch. Seit 1992 streiten sie jetzt gegen das Bombodrom, und juristische Erfolge haben sie in dieser Zeit schon viele erzielt, Versprechungen von Politikern auch zur Genüge gehört. Solange sie es nicht schwarz auf weiß haben, dass die Bundesregierung ihre Bombodrom-Pläne aufgibt, führen sie ihren Protest weiter. Das Urteil vom 31. Juli wurde als wichtiger Etappensieg gebührend gefeiert - und dient zur Bestärkung auf dem weiteren Weg. Für den 28. Oktober ist die nächste Protestwanderung geplant, dieses Mal in Flecken Zechlin, einem malerischen Städtchen am östlichen Rand des geplanten Bombenabwurfplatzes. Am 1. Januar wird wie jedes Jahr die Protestwanderung von Schweinrich aus an die Platzgrenze gehen. Derweil richten sich einige Erwartungen an den Deutschen Bundestag. Dem liegen nämlich seit langem einige Petitionen gegen das Bombodrom vor. Im Mai diesen Jahres war der Petitionsausschuss vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Die zunächst noch vor der Sommerpause erwartete Empfehlung des Ausschusses wurde vertagt, um den Ausgang des Gerichtsverfahrens abzuwarten. Inzwischen wurde sie noch einmal verschoben, so dass jetzt erst 2008 mit einer Entscheidung des Bundestags gerechnet wird. Bezeichnend ist dabei, dass die politische Verantwortung für das Bombodrom von einer Hand in die andere weitergereicht wird. Ein Mitglied des Petitionsausschusses ließ beim Vor-Ort-Termin im Mai die Bemerkung fallen, letztlich müssten ja wohl die Gerichte entscheiden. Als jetzt Verteidigungsminister Jung die Berufung einlegte, begründete er dies damit, er habe vom Parlament den Auftrag, im Sinne einer Lastenverteilung dafür zu sorgen, dass der Übungsbetrieb der Bundeswehr teilweise in die neuen Bundesländer verlagert wird. Neuerdings gibt es noch einen anderen Schauplatz der Auseinandersetzung ums Bombodrom, und der liegt in der Luft. Die Bundeswehr, so macht es den Eindruck, hat ihre Strategie geändert. Noch bis vor kurzem waren Tiefflüge in der Region um das Bombodrom vergleichsweise rar. Um die anderen beiden Bombenabwurfplätze auf deutschem Boden in Siegenburg und Nordhorn war es ebenfalls still: Die Bundeswehr flog dort kaum, und von Protesten war dementsprechend auch wenig zu hören. Insgesamt, so scheint es, sollte der Eindruck erweckt werden, dass so ein bisschen Fliegerei so schlimm gar nicht ist und es sich damit gut leben lässt. Ganz anders neuerdings. Am 19. September jagten Nachmittags zwei Jagdbomber über den Rheinsberger See, in Sicht- und Hörweite der dortigen Kurklinik. Die Bundeswehr stritt dies trotz hunderter von AugenzeugInnen zunächst ab. Inzwischen hat sie lapidar mitgeteilt, die Flugzeuge seien nicht unter 330 Meter Höhe geflogen und nicht näher als 1000 m an Rheinsberg heran gekommen, im Übrigen gebe es dort keinerlei Flugbeschränkungen. Mit anderen Worten: Wir können hier fliegen soviel wir wollen. Die Taktik, einer aufsässige Bevölkerung durch Tiefflüge über ihren Köpfen zu zeigen, wer der Herr im Lande ist, nennt man übrigens in der Sprache der Militärs "Show of Force". Die veränderte Strategie des Bundesverteidigungsministeriums zeigt sich auch anderswo: In Siegenburg hat die Bundeswehr Flüge an vier Tagen pro Woche angekündigt, auch in Nordhorn wird derzeit der Flugbetrieb intensiviert. Die Folge: bei einigen dortigen Lokalpolitikern wird der Ruf nach Inbetriebnahme des Wittstocker Luft-Boden-Schießplatzes laut, um die eigene Region zu entlasten. Doch rufen tun zum Glück auch andere: der Nordhorner Arbeitskreis Frieden lädt für den 20. November Frauen von den verschiedenen Standorten zu einer gemeinsamen Konferenz ein. Dort soll bekräftigt werden: Wir wollen keine Bombenabwurfplätze. Nirgends. In diesem Sinne schreibt auch die Aktionsgemeinschaft "FREIER HIMMEL" an Bundeskanzlerin Merkel. Anlässlich der jährlich stattfindenden "Drachendemo" am 7. Oktober protestiert die mecklenburgische Anti-Bombodrom-Gruppe dagegen, dass die Siegenburger Bevölkerung sozusagen "in Geiselhaft" genommen wird, um das Bombodrom bei Wittstock durchzusetzen. Mehr als eine halbe Million Euro Steuergelder seien schon für Prozesse wegen des Bombodroms ausgegeben worden - jetzt sei es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Der Brief endet mit der Forderung: "Kein Bombodrom. Hier nicht und nirgendwo!"

Ulrike Laubenthal, Sichelschmiede