Artikel im Ruppiner Anzeiger, 14. Juli 2006
Neues Projekt Sichelschmiede reiht sich in den Widerstand gegen das Bombodrom ein
Rossow Nicht gerade viele Wege führen nach Rossow. Einen, der über zahlreiche
Stationen führte und doch immer ein Ziel verfolgte, fand Ulrike Laubenthal. Seit Anfang
Juli betreut sie am Ortsrand eine Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner
Heide.
Von Dietmar Stehr
Sichelschmiede heißt in Anlehnung an Schwerter zu Pflugscharen das eigens
für Rossow ins Leben gerufene Projekt, für das am vergangenen Wochenende Einzugsfest in
der Dorfstraße 8 gefeiert wurde. Kein Verein verbirgt sich dahinter, sondern ein aus der
Friedensbewegung hervorgegangener Arbeitskreis. Den Kern bildet bislang Ulrike Laubenthal
gemeinsam mit dem Berliner Bert Schilden. 24Unterstützer aus der Region und dem gesamten
Bundesgebiet finanzieren bis dato das Projekt mit Spenden. Weitere sind willkommen.
Obwohl sie in Hessen geboren und aufgewachsen ist, kennt Ulrike Laubenthal die Gegend und
speziell die Bombodrom-Thematik bestens. Ich komme seit Jahren her, sagt sie
unter Verweis auf die Kampagne 200Gruppen in die Freie Heide. Diese war 2003
gestartet worden, um mit bloßer Anwesenheit auf dem Übungsplatz der Bundeswehr jeden
einzelnen Flugtag im Bombodrom zu verhageln. So wurde voriges Jahr zum Beispiel die
Ziel-Pyramide für die Bomben-Attrappen mit Papierkranichen zum zeitweiligen
Friedenssymbol.
Ein Symbol für die bundesweite Friedensbewegung soll auch der Kampf um eine freie Heide
werden mit Rossow als Nahtstelle zwischen regionalem Widerstand und gewaltfreien
Aktivisten aus ganz Deutschland. Bewusst sei ein Ort an der Schießplatz-Grenze gesucht
worden, um den Arbeitskreis dort anzusiedeln.
Ein Raum in der gemieteten Wohnung ist zur Friedenswerkstatt umfunktioniert worden. Von
dort aus wird nicht nur Bombodrom-Öffentlichkeitsarbeit betrieben, etwa für bundesweit
erscheinende Rundbriefe der Friedensbewegung. Wir bringen uns auch ein in die
Vorbereitung der Sommeraktionstage, erläutert die 40-Jährige. In diesem Jahr
finden sie vom 9. bis 13. August in Schweinrich am Dranser See statt. Zudem sollen über
die Sichelschmiede-Internetseite Übernachtungsmöglichkeiten in der Region vermittelt
werden. Denn Ulrike
Laubenthal ist zugleich Trainerin für gewaltfreies Handeln und möchte vor Ort
entsprechende Angebote unterbreiten. Die Bundeswehr-Übungen wären ein massiver
Eingriff ins Leben der Menschen, darauf sollten sie vorbereitet sein. Das meine
nicht nur, auf Bäume klettern zu üben oder einen Disput mit einem
Schießplatz-Wachschützer gesittet lösen zu lernen, sondern auch das Reden über eigene
Gefühle. Krieg fängt mit Üben an, heißt es auf einem Aufkleber der Bürgerinitiative
Freie Heide. Folglich gelte, dass Frieden ebenso mit Üben anfängt beim Bombodrom
wie auch bei Konflikten in der Familie oder mit Kindern.
Die Laufbahn als Trainerin hat für Ulrike Laubenthal ihren Ursprung in der Jugend. Ihre
damalige Heimat Osthessen war von der US-Armee als Schlachtfeld für den Dritten Weltkrieg
auserkoren worden. Diese Eindrücke, gepaart mit elterlichen Berichten vom Zweiten
Weltkrieg, ließen in ihr einen Entschluss reifen: Wenn ich groß bin, muss ich
was dagegen machen. Dieser Vorsatz führte sie in den 80er Jahren nach
Mutlangen bei Stuttgart, wo Atomwaffen stationiert waren. Ziviler Ungehorsam bis zur
Abrüstung hieß seinerzeit das Ziel. Die
Massenvernichtungswaffen von damals sind inzwischen verschrottet. Ein Erfolgserlebnis, ein
rares noch dazu.
1990, als der Irak in Kuwait einmarschierte und dafür mit Bomben
übersät wurde, war Ulrike Laubenthal Mitbegründerin der Initiative Frieden am
Golf und verbrachte geraume Zeit vor Ort. Friedenspräsenz nennen sich solche
Aktionen. Menschen statt Monster habe sie im Irak getroffen, berichtet die
Friedensaktivistin. Sie hat den Wunsch nach einem Leben ohne Krieg ebenso erlebt wie das
Sterben zahlreicher Zivilisten. Das war sehr prägend.
Es folgte ein Engagement bei den Peace Brigades International (PBI), den Internationalen
Friedensbrigaden. Diese gehen in Krisengebiete, um Menschen zu schützen, die sich ein
Leben ohne gewalttätige Konflikte wünschen. Später arbeitete Laubenthal in Nordirland
bei einem Begegnungszentrum für protestantische und katholische Jugendliche. Nun also
Rossow. 25Gäste fanden sich zum Einzugsfest ein. Die Nachbarschaft hat uns sehr
herzlich willkommen geheißen, freut sich die Sichelschmiede-Mitbegründerin. Aber
auch Gratulanten aus der Region und von noch weiter her kamen. Die Mischung soll
weiter so bleiben.
Die Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide ist als
Ergänzung zu den bereits bestehenden Organisationen gegen das Bombodrom gedacht.
Soziale Bewegungen sind am erfolgreichsten, wenn es viele parallele Initiativen
gibt.
Näheres zum Arbeitskreis Sichelschmiede findet sich im Internet unter
www.sichelschmiede.org. Wer zusätzliche Informationen
zur Arbeit von Ulrike Laubenthal wünscht, wird unter www.gewaltfreiheitstrainings.de fündig.
Ulrike Laubenthal in der Rossower Werkstatt für Friedensarbeit.
Foto: Stehr