Sichelschmiede

Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide



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Dokumentation:
Rede von Barbara Lange (Aktionsgemeinschaft Freier Himmel)
zur feierlichen Seebestattung des Bombodroms am 1.5.2010

Am 22. April 2009 klingelte mein Telefon. Aus gut informierten Journalistenkreisen erfuhr ich, dass es im Verteidigungsministerium ernsthafte Überlegungen gäbe, auf das Bombodrom zu verzichten. Die aufkeimende Freude war schnell erstickt. Zu unglaublich schien das Gehörte.

Und nun stehen wir heute wirklich hier im Mirower Strandbad, um das Bombodrom mit Pauken und Trompeten in der Versenkung verschwinden zu lassen.

War es ein Wunder? Es war auf jeden Fall wunderbar, dass die Protestbewegung in den 18 Jahren nicht schwächer wurde, sondern stetig gewachsen ist, dass Sie, die Sie heute hier versammelt sind und mit Ihnen viele Menschen in der Region und auch deutschlandweit sich für das Thema interessierten, immer wieder in Brandenburg und Mecklenburg mitdemonstrierten, in Bürgerinitiativen mitarbeiteten oder sonst einen Weg fanden, sich einzubringen. Manche haben Geld gespendet, andere Kuchen gebacken, Bettlaken wurden uns für Banner überlassen oder Kleister fürs Plakatekleben bereitgestellt. Ohne jeden Einzelnen, ohne jede Einzelne, die sich auf unterschiedlichste Weise beteiligten, ohne uns alle, die wir heute hier stellvertretend für die Gesamtheit der Protestbewegung stehen, ohne das Bündnis aus Bürgerinitiativen, Kommunen, Verbänden, Parlamenten, Landesregierungen, ohne die Arbeit unserer Rechtsanwälte und der Gericht, wäre das, was wir so gesehen als Wunder bezeichnen können, nicht geschehen.

Der Bombodrom-Protest ist zum eindrucksvollen Beispiel für gesellschaftlichen Gemeinsinn geworden. Da ist die in Deutschland wohl einmalige " Südallianz" zu nennen. Ohne Garantie auf einen Erfolg, aber nicht ohne Hoffnung unterstützten zuletzt 43 Städte und Gemeinden rund um die Müritz die Gemeinde Lärz bei der Finanzierung der Prozesskosten. Und da ist die Länderübergreifende Projektgruppe " Wirtschafts- und Tourismusentwicklung Nordbrandenburg-Südmecklenburg" , die ihren ideellen Ursprung den Initiativen Freier Himmel und Proheide verdankt. 2004 gegründet, bemühen sich seitdem Vertreterinnen und Vertreter von Städten, Landkreisen, Verbänden und den Wirtschaftsministerien beider Bundesländer um eine länderübergreifende Entwicklung. Sie haben damit dem Kontra-Bombodrom frühzeit ein Pro-Region an die Seite gestellt.

Wir als FREIER HIMMEL sind am Ziel, das Kontra-Bombodrom ist Geschichte, die zivile Zukunft der Heide politisch entschieden. An die Vertreter der Kommunen, Verbände, Parlamente und Landesregierungen appellieren wir, behalten Sie diese länderübergreifenden Fäden fest in der Hand, investieren Sie nun Ihre Kraft ungeteilt in die gemeinsame Entwicklung unserer Region, ohne falsche Rücksichten auf die Landesgrenze.

Ein gewichtiger Teil unserer Arbeit im FREIEN HIMMEL galt der Politik.

Allerdings, weder in Schwerin noch in Berlin hat jemand auf uns gewartet. Und Bürgerprotest ist immer eine Zumutung für Politiker, denn anders als im Parlament, wo sich ein Politiker mit vielen Themen befassen muss, sind es in einer Bürgerinitiative viele, die sich ausschließlich nur einem Thema widmen.

Wir haben zugesehen, uns nicht von politischen Geflogenheiten irritieren zu lassen. Obwohl Politik davon lebt, Kompromisse zu finden, wussten wir, hier gibt es keine Kompromisslösung. Obwohl Parteien darauf bedacht sein müssen, ihr politisches Profil zu schärfen, waren wir uns sicher, wenn wir Erfolg haben wollen, hilft nur Bündnispolitik über Fraktionsgrenzen hinweg.

Dass es zudem darum ging, die mecklenburgische Landespolitik für den Protest gegen ein Militärprojekt in Brandenburg zu gewinnen, hat die Sache nicht einfacher gemacht. Es ist gelungen, die Landespolitik dazu zu bewegen, sich gegen die Bombodrom-Pläne auszusprechen und mit uns die zivile Zukunft der Kyritz-Ruppiner Heide zu fordern - auch oder gerade dank des Einsatzes einzelner Parlamentarier. Zuweilen ging das an die Schmerzgrenze der Beteiligten.

Im Bundestag war die Lage noch komplizierter. Hier haben wir in all den Jahren nie eine belastbare politische Mehrheit erreicht. Umso gewichtiger wog da das Engagement einzelner Abgeordneter. Alle politisch Verantwortlichen rufen wir auf, machen Sie sich dafür stark, dass sich die Bundesregierung jetzt nicht aus der Verantwortung stiehlt, sondern Steuergelder für die Beräumung der Altlasten bereitstellt.

Politik, Verbände, Gerichte. Ohne die Bürgerinitiativen, wären sie nicht in die Spur gegangen. Die Bürgerinitiativen, und das sage ich jetzt ganz unbescheiden, waren die Seele des Protests. Sie haben über all die Jahre informiert, mobilisiert, agiert, sie waren das Rückgrat des Widerstandes.

Die FREIe HEIDe brachte den Protest 1992 ins Rollen. Sie organisierte eine beispiellose Vielzahl und Vielfalt von Aktionen in den 18 Jahren des Protests. Die ProHeide interessierte und mobilisierte viele Unternehmer. Der Freie Himmel über der Müritz in Waren, ein "Ableger" der AG Freier Himmel, brachte Waren auf Trab, organisierte den großen Müritz-Protest 2006 und eindrucksvolle Infoveranstaltungen.

Zwei Menschen stehen hinter der Initiative ProUrlaub. Sie haben über Jahre gezielt zehntausende Unterschriften von Touristen gesammelt, ausgewertet und an den Deutschen Bundestag geschickt. Der Freie Himmel hat sie nach Kräften unterstützt.

Dazu gehören auch Initiativen, die sich nicht auf das Bombodrom beschränken, allgemein friedens-ethische Ansätze verfolgen, mitunter mit vergleichsweise radikalen Ansichten und Mitteln. Die Friedensinitiative Kyritz-Ruppiner Heide, das Aktionsbündnis Rosa Heide, die Sichelschmiede – Werkstatt für Friedensarbeit. Spannungen und Konflikte blieben da nicht aus. Wir haben sie ausgehalten. Es haben letztlich alle ihren Anteil daran, dass jetzt Wirklichkeit ist, was vor einem Jahr noch unglaublich schien: Der freie Himmel über freier Heide. Und zum Zeichen dessen werden nun auch in Erinnerung an das alte biblische Friedenssymbol 500 Tauben diesen freien Himmel bevölkern.